Bernsteinköpfchen "Traut"
Hermann Brachert, 1941

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Historische Kalenderblätter

Bruno Taut - 140. Geburtstag

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Mai 2020



Bruno Taut – 140. Geburtstag

 

* 4. Mai 1880 in Königsberg  † 24. Dezember 1938 in Istanbul

 

Bruno Julius Florian Taut wurde am 4. Mai 1880 als zweiter Sohn des Kaufmanns Julius Taut in Königsberg geboren. Er besuchte das Kneiphöfische Gymnasium und begann nach dem Abitur 1897 eine Ausbildung an der Königsberger Baugewerkschule, die er nach drei Semestern erfolgreich abschloss. Seine erste Anstellung fand er 1903 im Büro des Berliner Architekten Bruno Möhring. Hier kam er mit dem Jugendstil und mit den neuen Baumethoden in der Verbindung von Stahl und Stein in Berührung. Am 27. April 1906 heiratete Bruno Taut Hedwig Wollgast (1879– 1968), die Tochter des Gastwirts und Schmiedes aus Chorin. Aus der Ehe stammten zwei Kinder: Heinrich Taut (1907–1995) und Elisabeth Taut (1908–1999). Erste Erfahrungen in der Stadtplanung sammelte Taut zwischen 1906 und 1908 bei Theodor Fischer in Stuttgart. 1909 eröffnete er in Berlin gemeinsam mit Franz Hoffmann (ab 1914 auch mit seinem Bruder Max Taut) das Architekturbüro “Taut & Hoffmann”, welches zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Architektengemeinschaften wurde. Zu seinen frühen Arbeiten gehört ein Turbinenhaus in Wetter/Ruhr (1908), ein Erholungsheim in Bad Harzburg (1909/1910) und mehrere Mietshausgruppen und Apartmenthäuser in Berlin.

 

1912 erfolgte seine Berufung zum beratenden Architekten der Deutschen Gartenstadtgesellschaft. In Falkenberg bei Berlin und  Magdeburg erhielt das Büro Aufträge zur Projektierung von Gartensiedlungen. Seine neuen Baumethoden und Gestaltungsmerkmale prägten unter der Bezeichnung des „Neuen Bauens“ eine eigene moderne Stilrichtung. Der Berliner Siedlung Gartenstadt Falkenberg brachten Tauts Gestaltungen mit intensiven Farben auch die Bezeichnung „Kolonie Tuschkasten“ ein. Internationale Anerkennung erhielt das Trio Taut & Hoffmann mit dem Entwurf des Glashauses für einen Pavillon der Deutschen Glasindustrie in der Kölner Werkbundausstellung im Jahre 1914.

 

Während des 1. Weltkrieges übernahm er die Bauleitung einer Pulverfabrik in Brandenburg, um nicht zum Kriegsdienst verpflichtet zu werden. 1917 verfasste er ein Antikriegsmanifest und entwarf Friedensdenkmäler.  Im Ergebnis der überwiegenden Theoriearbeiten veröffentlichte Bruno Taut 1918 und 1919 zu dem Thema der Verschmelzung von Architektur und Natur die beiden großen Bildzyklen “Alpine Architektur” und “Auflösung der Städte”.  Ab 1917 lebte Bruno Taut in einer außerehelichen Beziehung mit Erica Wittich (1893–1975), aus der die gemeinsame Tochter Clarissa Wittich (1918–1998) stammte. Seine Ehe mit Hedwig Taut wurde jedoch nicht geschieden. Beeindruckt von den revolutionären Strömungen der Nachkriegszeit rief er den „Arbeitsrat für Kunst“ ins Leben, der die Ideen der Novemberrevolution von 1918 in den Bereich der Kunst transformieren sollte. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs war er der Führer des utopischen Flügels des Expressionismus in der deutschen Architektur. Diese Phase war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach 1920 entwickelte sich bei ihm eine vom Rationalismus bestimmte Sicht der Dinge. Von 1921 bis 1923 war er als Stadtbaumeister in Magdeburg tätig und führte mit dem Projekt der „Gartenstadt-Kolonie Reform“ ein heftig diskutiertes Programm zur farbigen Fassadenrestaurierung durch.

 

Da Taut nach der Beendigung dieses Projekts keine weiteren Perspektiven in Magdeburg sah, kehrte nach Berlin zurück und arbeitete wieder mit Hoffmann und seinem Bruder zusammen. Sie führten zwischen 1924 und 1931 mehrere Aufträge zur Errichtung von Wohnsiedlungen in Berlin aus und schufen damit etwa 12.000 Wohnungen in Berlin. Besonders zu nennen sind die Siedlung Schillerpark in Berlin-Wedding, die Großsiedlung Onkel Toms Hütte und die Hufeisensiedlung Britz in Berlin-Neukölln. Die Ergebnisse seiner Bautätigkeit zählen zu den bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiet des Massenwohnungsbaues im 20. Jahrhundert.

 

Eine besondere Ehrung wurde Taut zuteil, als er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannt wurde. Auch der Japanische Internationale Architektenbund nahm Taut als Ehrenmitglied auf. Im Jahr 1930 berief ihn die Technische Hochschule Berlin zum Honorarprofessor für Siedlungs- und Wohnungswesen an den Lehrstuhl von Hermann Jansen. Hier übernahm er ein Seminar für Wohnungsbau und Siedlungswesen und führte die Gemeinschaftsarbeit ein, indem er Studentengruppen bildete und Entwürfe gemeinsam bearbeiten ließ. Immer noch fasziniert von den revolutionären Ideen, die er in der Sowjetunion umgesetzt sah, ging Taut im März 1932 nach Moskau, wo er für die Stadtverwaltung ein Büro für Neubauten einrichtete. Enttäuscht von der Entwicklung der sowjetischen Architektur und den wirtschaftlichen Problemen, kehrte er aber bereits im Februar 1933 wieder nach Berlin zurück.

 

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die ihn als Kulturbolschewisten denunzierten, wurde Taut die Professur und die Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste entzogen. Auf Einladung des befreundeten japanischen Architekten Isaburō Ueno ging er 1933 ins Exil nach Japan und hielt sich mit dem Verkauf selbst entworfener Möbel, kunsthandwerklicher Gegenstände und Publikationen über das “Neue Bauen” finanziell über Wasser. In Japan erhielt er nur einen Bauauftrag zum Umbau der Villa des Kaufmanns RihÄ“ HyÅ«ga in Atami, einem Badeort südlich von Tokio. Dieses Gebäude ist heute ein Kulturdenkmal und eine Attraktion Atamis. Als ihm 1936 die Türkei, die für die Modernisierung des Landes nach ausländischen Architekten suchte, die Professur für Architektur an der Akademie der Künste in Istanbul anbot, zog er mithilfe der Vermittlung seines dortigen Kollegen Martin Wagner um. Er wurde zum Dekan der Akademie berufen und löste Ernst Egli ab.

 

Neben seiner Lehrtätigkeit erhielt er neue Projektaufträge und schuf unter anderem Pläne für den Bau der Universität Ankara und für eine Reihe von Schulen in der Türkei. 1938 erschien sein schon in Japan begonnenes Werk “Architekturtheorie” in türkischer Sprache. Im gleichen Jahr veranstaltete die türkische Akademie der Künste eine Ausstellung über Tauts gesamtes Schaffen. Seinen letzten Bauauftrag erhielt Taut zur Gestaltung des Katafalks für den 1938 verstorbenen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Seit mehreren Jahren litt Taut bereits unter einer Asthmaerkrankung. Dieser erlag der 58-Jährige nach einem schweren Anfall am 24. Dezember 1938. Er wurde als bislang einziger Ausländer und Nicht-Muslim auf dem Ehrenfriedhof des türkischen Staates in Edirnekapı, Istanbul bestattet.

 

Bruno Tauts Motto seit 1913 lautete: „Widerstehe den Prinzipien“. Sein Werk blieb stilistisch uneinheitlich. Er folgte weder den um 1910 vorherrschenden Tendenzen des Neoklassizimus noch später denen einer abstraktkubischen Moderne. In den Siedlungen verwirklichte er dafür gut proportionierte Wohnungen und charaktervolle Stadtteile in dem Bestreben, auch in den Außenbereichen Wohnlichkeit zu schaffen. Plätzen und Straßen gab er Intimität durch plastische Formung ihrer Kopfbauten. Starke Farbgebung unterstrich die Eigenständigkeit jedes Siedlungsteiles. Die farbigen Wohnräume allerdings fanden kein Verständnis. Vier der Siedlungen wurden 2008 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Tauts romantisches Ideal einer menschlichen Umwelt, die als geistige Mitte ein „zweckfreies architektonisches Kunstwerk“ haben müsse, blieb unerfüllt. Seine architekturtheoretischen Schriften sind bis heute aktuell.