Fritz Kudnig – 135. Geburtstag
Juni 2023
Schriftsteller
* 17. Juni 1888 in Königsberg † 7. März 1979 in Heide/Schleswig-Holstein
Friedrich Wilhelm (Fritz), Sohn des Friedrich Wilhelm - seinerzeit Wachtmeister beim Königsberger Ostpreußischen Kürassier-Regiment Nr. 3 (Graf Wrangel), und der aus Deutschendorf bei Mühlhausen im Kr. Preußisch Holland stammenden Marie Kudnig geb. Heinrich, wurde im Sommer 1888 – im sog. Dreikaiserjahr – in Königsberg geboren.
Als Kind verbrachte der kleine Fritz die Sommerferien oft bei den Großeltern in Deutschendorf, wo er christlich geprägt wurde und Nähe zur Natur fand. Später, nachdem die Familie bereits länger im beschaulichen Braunsberg lebte, fasste sein Vater trotz des geringen Einkommens den schweren Entschluss, den Ältesten, von dem es hieß, er sei zwar ein richtiger ostpreußischer Lorbaß, aber vor allem auch ein aufgeweckter und geistig regsamer Junge, an das Braunsberger Gymnasium zu schicken.
Aus der Gymnasialzeit ist überliefert, dass Fritz trotz des vielen Lernens immer noch Zeit für „die Freuden des Lebens“ fand, wie etwa für den Aufstieg auf den Ritterturm des Gymnasiums, der ihn mit einem derartig umwerfenden Ausblick auf die Umgebung, insbesondere das Frische Haff und die Frische Nehrung belohnte, dass in ihm „zum ersten Mal so stark […] eine dunkle, schier herzbedrückende Wandersehnsucht“ geweckt wurde.
Ein weiteres prägsames Erlebnis aus der Schulzeit war die „erregende Art des Vortrages“ eines Lehrers, der einen erkrankten Kollegen vertrat, die in Fritz eine sehr große Ehrfurcht vor der deutschen Sprache aufkommen ließ, welche er nie wieder ablegte.
Nach der Mittleren Reife und einer Ausbildung zum königlich-preußischen Justizanwärter bestand Fritz Kudnig im Frühjahr 1910 „mit Mühe und Not“ das Examen als königlich-preußischer Gerichtsaktuarius“ und kam auf eigenen Wunsch ans Amtsgericht nach Memel zwecks Ausbildung zum Justizanwärter. In die Zeit gegen Ende der Ausbildung – als er 21 Jahre alt war - fällt auch Kudnigs erste, unglückliche Liebe, „die mit aller jugendlichen Inbrunst erlebt und erlitten wurde“ und das über fast sieben Jahre lang. Diese hat ihn „zum Dichter eigentlich erst gemacht“.
In Memel unternahm Fritz nach der Arbeit fast täglich Ausflüge mit der Fähre über das Kurische Haff zur Nehrung, wo er „in der großen Einsamkeit jenes wunderbaren Landes zwischen Haff und Meer […] die innige Gemeinsamkeit mit dem Schöpfer und allem Geschaffenen“ erlebte und seine Gedichte schuf. Die Jahre 1914 – 1917 führten Fritz Kudnig als Infanterist, Artillerist und Funker an die Front. 1919 erfolgte die Entlassung als herzkrank und bald darauf die Tätigkeit als Justizinspektor am Königsberger Oberlandesgericht.
1919 lernte Kudnig durch seine Dichtkünste die junge, literaturbegeisterte Bauerntochter Margarete Huesmann aus dem schleswig-holsteinischen Dithmarschen kennen, der er schönste Briefe über seine Bewanderung der Kurischen Nehrung schrieb. 1920 folgte die Eheschließung, aus der drei Kinder hervorgehen sollten. 1922 veröffentlichte Fritz Kudnig seinen ersten Gedichtband Durch Leid und Licht, der sich mit Liebe zu Mensch und Landschaft der Nehrung auseinandersetzt.
Ab 1925 gab Kudnig seine Beamtenstelle auf und wirkte fortan als freier Schriftsteller sowie Mitarbeiter mehrerer teils führender Zeitschriften wie z. B. der Ostdeutschen Monatshefte oder etwa Reclams Universum. In der Folgezeit kamen weitere Veröffentlichungen, die vermehrt Nachfrage auch weit über Ostpreußen hinaus fanden und häufig zigtausendfach verbreitet wurden, so etwa Das Lied der Kurischen Nehrung (1925), Land der tausend Seen (1935) oder Das Wunder am Meer (1938). Auch während des Nationalsozialismus tat sich Kudnig als unerschütterlicher Moralist hervor, indem er sich etwa gegen die Reglementierung der in Deutschland verbliebenen Schriftsteller einsetzte. In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Bekenntnisessays „Kampf um Meister Eckehart“ (1937), was ihm den Titel eines Mystikers beibrachte. Gegen Ende des Krieges erlebte die Familie Flucht und Vertreibung, aber auch wirtschaftliche Not in der neuen Heimat Dithmarschen. Das Trauma des Heimatverlusts sowie die materielle Not führten zu einem Bruch im Schreibstil, weg von Schwärmereien hin zum täglichen Kampf mit der Unvollkommenheit des Daseins. (Flucht und Einkehr, 1958).
Die Zeit in Westdeutschland, besonders später im eigenen Häuschen in Heide, mit seiner Familie und der rege Austausch mit vielen anderen Freunden aus Ostpreußen bewirkten ein regelrechtes „Altersschaffen“, das zahlreiche neue Werke, über 300 Vorträge und Lesungen und diverse Preise (z.B. Agnes-Miegel-Plakette, 1959, Kulturpreise der Landsmannschaft Ostpreußen, 1964 etc.) hervorbrachte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Friedrich Wilhelm Kudnigs literarisches Schaffen geprägt war von seiner Liebe zur Natur und Heimat, durch ausgeprägtes soziales Empfinden sowie die tiefe Religiosität und Gottsuche.
Das Wunder:
Mit jedem Jahre verjüngt sich scheinbar mein Herz, wie ein Winterbaum sich verjüngt im wärmenden März. Immer inniger weiß ich mich allem Leben verwandt, obwohl es mich oft genug in die Wüste verbannt.
Wie herznah bin ich dem Walde, dem keuschen Reh, dem wilden Sturm und der leidenschaftlichen See, den Sternen im dunkel blauenden Himmelszelt und Gott, der urewigen Schöpfer-Seele der Welt.
Oft wurde ich schuldig, sah mich an Abgründen gehen; doch kann ich auch selig wie einsame Heilige stehn, stumm schauernd die Arme breiten im raunenden Wind, die Geister ahnend, die segnend über mir sind.
Kein Traum! Nie fühlte ich wacher mein wanderndes Blut, Nie war mir so brüderlich nah des All-Ewigen Hut. Und der Tod –, Tor vor meines nächsten Lebens Beginn, auch er wird mir sagen, wie sehr ich sein Bruder bin.
Nichts, nichts in der Welt kann sterben; es wandelt sich nur: die Götter, die Menschen, die ganze große Natur. O, welches Wunder hinter dem Trug alles Scheins: auch der Tod ein getreuer Diener des göttlichen Seins!
Aus der Sammlung: Mensch zwischen Himmel und Erde (1976)
Werke: • 1922: Durch Leid und Licht • 1925: Das Lied der Kurischen Nehrung • 1935: Land der tausend Seen • 1938: Das Wunder am Meer • 1952: Gottes Lautenspiel • 1956: Der Kampf um Meister Eckehart • 1956: Herz in der Heimat • 1958: Flucht und Einkehr • 1959: Heitere Stremel von Weichsel und Memel • 1963: Wenn die Heide blüht • 1963: Land meiner Liebe • 1966: Fahrt in die Sonne • 1976: Mensch zwischen Himmel und Erde
Quellen: Ostdeutsche Gedenktage 1968 Ostdeutsche Gedenktage 1973 Fritz Kudnig – Leben und Werk, 2. Aufl., 1987 In alten Briefen geblättert. In: Das Ostpreußenblatt v. 4. Feb. 1984, S. 9 Lyrik auf dem tiefsten Inneren. In: Das Ostpreußenblatt v. 17. Juni 1978, S. 9 https://kulturstiftung.org/biographien/kudnig-fritz-3 https://dewiki.de/Lexikon/Fritz_Kudnig https://www.bildarchiv-ostpreussen.de https://kulturstiftung.org/biographien/kudnig-fritz-2 |