Bernsteinköpfchen "Traut"
Hermann Brachert, 1941

Historisches
Kalenderblatt

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November 2024

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Historische Kalenderblätter

Hermann Brachert - 45. Todestag

 

 

 

 

Juni 2017



*11. Dezember 1890 in Stuttgart; 2. Juni 1972 in Schlaitdorf

 

Hermann Brachert gehört zu den bedeutendsten deutschen Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Obwohl er kein gebürtiger Ostpreuße war, lebte er über viele Jahre in Königsberg, wo einige seiner bekanntesten Skulpturen aus Naturstein, Bronze und Bernstein entstanden. Dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen sind die meisten der großen Arbeiten Bracherts zum Opfer gefallen, andere gelten bis heute als verschollen. Mit dem Wissen, dass seine Werke niemals in Vergessenheit geraten, erinnert das Kulturzentrum Ostpreußen zum 45. Todestag des Künstlers mit dem Kalenderblatt Juni an das bewegte Leben Bracherts.

 

Hermann Brachert erblickte als Sohn des Geschäftsführers Alfred Brachert am 11. Dezember 1890 in Stuttgart das Licht der Welt. Von 1897 bis 1905 besuchte er die Schloss-Realschule in Stuttgart, wo er Privatunterricht in künstlerischer Gestaltung bei Paul Christaller nahm, der seinerzeit als anerkannter Professor an dieser Schule tätig war. 1912 schloss Brachert eine Lehre als Ziselleur erfolgreich ab. Ein Jahr später wurde er Schüler an der renommierten Kunstgewerbeschule Stuttgart unter Robert Knorr, einem der einflussreichsten Bildhauer der damaligen Zeit. Nach seinem Abschluss (1916) studierte Brachert neben seiner Arbeit als freischaffender Künstler Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart. Zu seinen Professoren zählte unter anderem der Erschaffer des Stuttgarter Bahnhofs Paul Bonatz, der zu den bedeutendsten Architekten des Traditionalismus gehörte; einer Kunstströmung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in den Niederlanden, Skandinavien und Deutschland aufkam.

 

Hermann Bracherts Lebensweg in Ostpreußen begann 1919 im Alter von 29 Jahren. Als Lehrer an der Kunst- und Gewerkschule in Königsberg war er bis 1926 Leiter der Abteilung Stein- und Holzplastik. Einer seiner Schüler war der im ostpreußischen Mehlsack geborene Künstler Georg Fuhg. Neben der Bildhauerei lehrte Brachert auch das Fach der Goldschmiedekunst. Zu seinen Schülern gehörte der in Metz geborene Rudolf Daudert, der sich Jahre später noch an Brachert erinnerte: »Seine künstlerische und technische Begabung war sehr breit angelegt. Sie reichte von der Monumentalplastik bis hin zum Medaillenschnitt. Für seine Schüler war er ein Gewinn, vor allem da seine Lehrmethode ganz und gar nicht akademisch zu nennen war.« Hermann Brachert wurde 1924 mit der Bronzenen Königsberger Stadtmedaille für seine Verdienste ausgezeichnet. Zwei Jahre später nahm er bereits staatliche Aufträge zur Anfertigung von Stein- und Bronzeplastiken entgegen, die er an der ehrwürdigen Albertus-Universität erfüllte. Von 1930 an beriet er zudem die Staatliche Bernstein-Manufaktur Königsberg und die Staatliche Kunstgießerei Gleiwitz in Oberschlesien. Etwa zur gleichen Zeit entstanden mehrere Plastiken und Bronzemünzen. Neben vielen monumentalen Werken, die seiner klassizistisch-tradionalistischen Prägung zugeschrieben werden können, schuf Brachert eine Reihe von Porträtbüsten und kleineren Arbeiten. Hierzu zählt die »Schwebende«, eine Bernsteinschnitzerei aus dem Jahr 1938, sowie hochwertige Altargeräte aus Silber, die ebenfalls in den 1930er Jahren angefertigt wurden. Besonders intensiv beschäftigte sich Brachert während seiner Zeit in Ostpreußen mit Bernstein, bedingt durch seine beratenden Tätigkeiten an der Staatlichen Bernstein-Manufaktur, die er bis zu seinem Abschied aus Ostpreußen (1944) ausübte. Angesichts des kriegsbedingten Notstandes war an eine Rückkehr nach Königsberg nicht zu denken. Die Vertreibung führte ihn zurück in seine alte süddeutsche Heimat nach Stuttgart, wo seine dritte Schaffensperiode begann, die reich an künstlerischen und pädagogischen Tätigkeiten war. So übernahm er am 15. März 1946 die Bildhauerklasse an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart, deren Rektor er später wurde. In dieser Zeit fielen ihm wesentliche Aufgaben bei der Neuorganisation der nach dem Krieg in Trümmern liegenden Akademie zu. Von 1954 bis 1967 war Hermann Brachert künstlerischer Berater der Schwäbischen Hüttenwerke in Wasseralfingen. Aus Anlass seines 70. Geburtstages wurde er Ehrenmitglied der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Trotz all dieser Ehrungen – 1961 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse – fand er immer wieder Zeit, neue Werke zu schaffen. So porträtierte er 1949 bereits den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss. Hermann Brachert starb am 2. Juni 1972 im württembergischen Schlaitdorf. Das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen/Bay. widmete ihm und seinen Werken zwischen 1981 und 1985 eine eigene Ausstellung mit zahlreichen Skulpturen, Plastiken und Graphiken. 2007 war eine Sonderausstellung über seine Person im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg zu sehen. Im ehemaligen Landhaus des Künstlers in Georgenswalde befindet sich seit 1993 das Hermann-Brachert-Museum, welches 2015 modernisiert wurde.

 

 

"Trautköpfchen" aus Bernstein (Kulturzentrum Ostpreußen Ellingen), 1938/41



"Die Schwebende" aus Bernstein (Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten), 1938



"Erinnerung an Ostpreußen" aus Bronze (Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg), 1970

 

 

Werke (Auswahl)

 

Steinarbeiten

Hausmarke am Haus der Technik in Königsberg als Halbrelief (1925): Kalkstein

 

Lehrender, Plastik vor der Universität Königsberg (1928): Kalkstein (verschollen)

 

Chronos auf drei Pferden am Hauptbahnhof in Königsberg (1929): Travertin, nach dem Krieg entfernt

 

Wasserträgerin, überlebensgroße Brunnenfigur in Rauschen (1940): Marmor (2012 wurde eine Kopie dieser Skulptur im Kurpark von Rauschen aufgestellt)

 

Fischer mit Nixe, Relief in Rauschen: Kalkstein

 

Büste des Bundespräsidenten Theodor Heuß in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Bonn, überlebensgroß (1949): Untersberger Marmor

 

Genius, Plastik, Ausführung von Hermann Kress, Oberlandesgericht Stuttgart, Verfassungssäule, überlebensgroß (1956): Kalkstein

 

Trauernde, Mahnmal für die Gefallenen, Stuttgart-Untertürkheim, Alter Friedhof, Höhe 3,20 m (1960): Kalkstein

 

Bronzearbeiten

Tanzende Mädchen, lebensgroß (1927): von den Nationalsozialisten 1933 entfernt

 

Reichspräsident Paul von Hindenburg im Schlossmuseum Königsberg, überlebensgroß (1928)

 

Reichspräsident Friedrich Ebert, überlebensgroß (1929): von den Nationalsozialisten 1933 entfernt

 

Otto Braun, Ministerpräsident von Preußen, zugleich SPD-Vorsitzender des Landes, Büste (1929), Staatsbibliothek zu Berlin

 

Schreitendes Mädchen (1929): von den Nationalsozialisten 1933 entfernt

 

Genius der Kunst (zu Ehren von Lovis Corinth), überlebensgroßer offener Bronzeguss (1931), Königsberg: von den Nationalsozialisten 1933 entfernt

 

Nixenreigen, Relief (1937)

 

Profil von Friedrich Schiller mit Figurengruppe seiner Dramen zu dessen 150. Todestag (1955), Hüttenwerke Wasseralfingen

 

Erinnerung an Ostpreußen, überlebensgroß vor dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg (1970)

 

Bernsteinarbeiten

Die Schwebende (1938)

Windsbrautkasten mit Silbertreibarbeit (1940)

Altarkreuz (1936)

Kelch (1936)

Trautköpfchen (1938/41 – befindet sich heute im Kulturzentrum Ostpreußen)

 

 

Literatur (Auswahl)

 

Hermann Brachert: Der Bildhauer Hermann Brachert, Stuttgart 1951

 

Bernstein im Schaffen Hermann Bracherts. Katalog des Kaliningrader Bernsteinmuseums (Hg.), Kaliningrad 2015

 

Der Bildhauer Prof. Hermann Brachert 1890-1972. Ausstellung zum 100. Geburtstag. Plastiken, Bernsteinarbeiten, Zeichnungen. 10. Juni - 1. Juli 1990, 29. Ostdeutsche Kulturwoche Ravensburg, Ravensburg 1990

 

Martin Schmidtke: Königsberg in Preußen, Husum 1997